Die 5 wichtigsten Entscheidungen des Staatsgerichtshofs zu vertraglichen Rechtsbeziehungen: Meinung der Anwaltskanzlei

Vertragliche Rechtsbeziehungen werden in der Regel mit dem Baugewerbe in Verbindung gebracht.  Vertragliche Vereinbarungen finden sich aber auch bei Planungs- und Reparaturarbeiten.

Jeder am Bau Beteiligte sieht den Bauprozess und seine Rolle darin auf seine eigene Weise. Der Planer entwirft den Entwurf, der Bauunternehmer setzt ihn um, der Bauherr wiederum muss das Werk prüfen, abnehmen und bezahlen.  So entsteht ein Netz von Rechtsbeziehungen.

In diesem Artikel haben wir die 5 unserer Meinung nach interessantesten Entscheidungen des Staatsgerichtshofs der letzten Jahre zu vertraglichen Rechtsbeziehungen ausgewählt.

1.      Überschreitung des Kostenvoranschlags und Rechtsfolgen

In der Entscheidung des Staatsgerichtshofs unter der Nummer 3-2-1-89-12 wurde die Frage der Überschreitung des Kostenvoranschlags behandelt.

In der Praxis werden zwei Arten von Kostenvoranschlägen verwendet: fixe (feste) und variable. Daher können sich die Parteien die berechtigte Frage stellen, wer bei einer Überschreitung des Kostenvoranschlags wie verantwortlich ist.

Der Staatsgerichtshof kam zu dem Schluss, dass es eine inakzeptable Praxis ist, wenn ein Auftragnehmer zusätzliche Arbeiten ausführt und es gleichzeitig versäumt, eine Preisänderung zu vereinbaren und dem Auftraggeber mitzuteilen, wodurch der Auftraggeber in die unfaire Lage versetzt wird, einseitig zur Kasse gebeten zu werden.

Der Staatsgerichtshof stellte fest, dass das Gesetz davon ausgeht, dass der Kostenvoranschlag verbindlich ist.

Im Falle einer erheblichen Überschreitung des Kostenvoranschlags ist der Auftragnehmer berechtigt, eine Überzahlung zu verlangen, wenn die Überschreitung nicht vorhersehbar war. In diesem Fall muss der Auftragnehmer den Auftraggeber unverzüglich von der erheblichen Überschreitung des Kostenvoranschlags in Kenntnis setzen. Unterlässt der Auftragnehmer die Unterrichtung des Auftraggebers, hat er nur Anspruch auf eine Überzahlung bis zur Höhe der ungerechtfertigten Bereicherung des Auftraggebers.

In einer früheren Entscheidung mit der Nummer 3-2-1-79-08 befasste sich der Staatsgerichtshof ebenfalls mit der Frage der Regulierung des Kostenvoranschlags und kam zu dem Schluss, dass die Parteien bei einer Überschreitung des Kostenvoranschlags nicht an die vereinbarten Tarife für die Bestimmung der Höhe der ungerechtfertigten Bereicherung gebunden sind und in einem solchen Fall die durchschnittlichen Markttarife anzuwenden sind.

Die durchschnittlichen Markttarife werden auf der Grundlage ähnlicher Angebote oder durch Sachverständigengutachten ermittelt. Im Allgemeinen neigt der Auftraggeber in einer strittigen Situation dazu, die Kosten zu niedrig und der Auftragnehmer dagegen zu hoch zu veranschlagen, was schließlich zu einem Rechtsstreit führen kann.

Zusammenfassung:

1.           Es sollte eine Einigung darüber erzielt werden, ob ein fester oder ein gleitender Kostenvoranschlag gilt. Wenn sich die Parteien nicht eindeutig einigen, gilt der Kostenvoranschlag als feststehend.

2.           Wenn der Auftragnehmer feststellt, dass der gleitende Kostenvoranschlag überschritten wird, muss er den Auftraggeber unverzüglich informieren.

(3) Unterlässt es der Auftragnehmer, den Auftraggeber rechtzeitig über die Überschreitung des gleitenden Kostenvoranschlags zu informieren, so werden die durchschnittlichen Marktpreise und nicht die vertraglich vereinbarten Preise angewandt.

 2.      Anwendung der guten Sitten

Das Urteil des Staatsgerichtshofs Nr. 3-2-1-59-13 befasste sich mit der Frage, inwieweit die guten Sitten bei der Festlegung der Vertragsbedingungen eine Rolle spielen. In diesem Urteil schlossen die Parteien eine vertragliche Vereinbarung und vereinbarten, dass sie sich bei Fragen, die nicht im Vertrag geregelt waren, auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bauverträge (abgekürzt ETÜ) berufen würden.

Der Gerichtshof stellte fest, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bauverträge (ETÜ) beratenden Charakter haben und in Bauverträgen als gute Sitten des Baugewerbes und der Bauverträge verwendet werden. Aus diesem Grund können die guten Sitten nicht als materielles Recht angesehen werden, das vom Gericht unabhängig von den Behauptungen der Parteien angewendet wird.

In der Praxis werden neben dem ETÜ auch andere gute Baugepflogenheiten verwendet, z. B. die finnischen RYL-Normen, die allgemeine Anforderungen an die Qualität von Bauleistungen stellen. Die RYL-Normen werden häufig im estnischen Vertragsrecht verwendet.

Die Parteien können die Qualität der Arbeiten im Vertrag festlegen, was aber oft nicht sinnvoll ist, da der Vertrag zu detailliert werden kann. Ein detaillierter Vertrag wird geschlossen, wenn es für den Auftraggeber von größter Wichtigkeit ist, dass die Arbeit in einer bestimmten Qualität ausgeführt wird, und eine Leistung, die unter der festgelegten Qualität liegt, als inakzeptabel angesehen wird (z. B. wenn der Auftraggeber vorschreibt, dass die Nivellierung der Wände in einem Raum höchstens 5 mm betragen darf und jede Abweichung von dieser Norm als minderwertige Arbeit angesehen wird).

Um die Qualität der Arbeit zu bestimmen, reicht es oft aus, sich auf allgemein anerkannte Normen zu beziehen, die Bestandteil des Vertrags sind und im Falle eines Rechtsstreits als Maßstab für die Qualität der ausgeführten Arbeit herangezogen werden können.

Stellt sich jedoch heraus, dass der Qualitätsstandard von den Parteien nicht festgelegt wurde, legt das Gericht den Qualitätsstandard auf der Grundlage des Gesetzes fest. Das Gesetz besagt wiederum, dass die Qualität der Arbeitsleistung nicht unter dem Durchschnitt liegen darf (Artikel 77 Teil 1 der PPO). Das heißt, das Gesetz definiert Qualität nur abstrakt, und die endgültige Festlegung der Qualität der Arbeit erfolgt bereits im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits.

Zusammenfassung:

(1) Die Haftung des Bauunternehmers kann durch den Vertrag begrenzt werden, wodurch mehr Möglichkeiten zur Haftungsbefreiung geschaffen werden. In diesem Fall ist es jedoch wichtig, dass die Vertragsbestimmungen nicht gegen das Gesetz verstoßen.

2) Die Haftung des Auftragnehmers entsteht, wenn auch die andere Partei sich nicht korrekt verhält: wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer falsche Anweisungen erteilt und die Befolgung dieser Anweisungen durch den Auftragnehmer zu einem Verstoß gegen die gesetzlichen Bauvorschriften führt oder wenn die Überwachung durch den Bauherrn nicht in ausreichendem Maße gewährleistet ist.

Autor: vereidigter Rechtsanwalt Ilya Zuev

Der Artikel wurde in Delovye Vedomosti, dv.ee veröffentlicht.